Depression im Alter – es gibt Hilfe
Samstag,
15. Oktober 2022
Der Begriff Altersdepression bezeichnet im Allgemeinen eine Depression ab dem 65. Lebensjahr. Sie ist eine ernst zu nehmende Erkrankung, die neben dem Verlust von Lebensqualität gerade bei älteren Menschen mit einem hohen Suizidrisiko einhergeht. Über 15 Prozent der Bevölkerung erleiden im Laufe des Lebens mindestens eine depressive Episode. Bei älteren Menschen werden Depressionen jedoch häufig nicht erkannt und nicht behandelt – dabei gibt es vielversprechende medikamentöse und psychotherapeutische Methoden, mit denen auch ältere Menschen wieder ihr seelisches Gleichgewicht finden können.
Wie sich eine Depression im Alter äußert und warum sie kein unabwendbares Schicksal sein muss, erläutert im Gespräch Dipl.-Psych. Dr. Alexandra Wuttke-Linnemann vom Zentrum für psychische Gesundheit im Alter, Mainz.
Hier können Sie das Interview hören:
Anzeichen einer Altersdepression
Die Kernsymptome der Depression – wie gedrückte Stimmung, Freudlosigkeit und Antriebsmangel – stehen bei der Altersdepression oft nicht im Vordergrund. Viele Betroffene klagen ausschließlich über körperliche Beschwerden und berichten zum Beispiel über Schwindel, Übelkeit, Schmerzen – wie etwa Kopf-, Rücken-, Magen- oder Gelenkschmerzen – Verdauungsbeschwerden und/oder körperliche Schwäche. Wegen dieser Symptome besuchen ältere Menschen mit Depression häufig ihre Hausarztpraxis und erhalten viele körperliche Untersuchungen. Das eigentliche Problem, die depressive Erkrankung, wird dabei oft nicht erkannt.
Andere ältere Menschen mit Depression klagen vornehmlich über nachlassende geistige Fähigkeiten, wie etwa Konzentrations- und Gedächtnisstörungen. Das halten Betroffene, ihre Angehörigen, aber auch die Behandelnden oft fälschlicherweise für Anzeichen einer beginnenden Demenz. Zudem sind Unruhe und Schlafstörungen häufige Symptome der Altersdepression.
Auslösende Umstände und Risikofaktoren
Risikofaktoren für die Entwicklung einer Depression im Alter sind körperliche Erkrankungen, wie etwa Diabetes mellitus, chronische Schmerzerkrankungen und Durchblutungsstörungen des Gehirns. Auch Medikamente können die Entwicklung einer Depression begünstigen. Dazu gehören zum Beispiel Kortisonpräparate oder bestimmte blutdrucksenkende Medikamente.
Neben diesen organischen und medizinischen Risikofaktoren für eine Altersdepression spielen vor allem die Lebensumstände eine wichtige Rolle. Im Laufe des Älterwerdens und der damit einhergehenden Veränderung der Lebenssituation können zahlreiche Dinge verloren gehen, die das Leben vorher geprägt und lebenswert gemacht haben. Das Ende der Erwerbstätigkeit, der Auszug der Kinder, altersbedingte, körperliche Einschränkungen, ein allgemeiner Verlust an Freude spendenden Aktivitäten oder der Tod von vertrauten Personen – all diese Erfahrungen sind belastend und können Lebensfreude rauben. Viele ältere Menschen leiden unter dem immer größer werdenden Mangel an sozialen Kontakten und vereinsamen. Das kann körperlich und seelisch krankmachen.
Suizid – eine oft unterschätzte Gefahr
Ältere Menschen begehen seltener Suizidversuche wie Jüngere – sterben aber bis zu 20mal häufiger dabei. Die höchste Suizidrate haben ältere Männer. Sie planen die Tat oft länger und reden selten darüber.
Für Betroffene: Hilfe bei Suizid-Gedanken
Wenn Ihnen Gedanken durch den Kopf gehen, sich das Leben zu nehmen, wenden Sie sich an Ihre Hausarzt- oder Facharztpraxis oder, falls Sie bereits in Therapie sind, an Ihre Psychotherapeutin oder Ihren Psychotherapeuten. Vertrauen Sie sich Personen an, mit denen sie befreundet oder verwandt sind und sprechen Sie über Ihre Gedanken und Probleme. Oder nutzen Sie Hilfsangebote wie die Telefon-Seelsorge, die unter der Nummer 0800 1110111 rund um die Uhr zu erreichen ist. Bei akuten Suizidgedanken rufen Sie den Notarzt unter der Nummer 112!
Für Angehörige und Interessierte: Umgang mit lebensmüden Menschen
Es gibt Alarmzeichen, die auf einen möglichen Suizidversuch hindeuten können. Dazu gehört nicht nur die ausdrückliche Androhung oder Ankündigung der Tat, sondern auch, wenn Menschen letzte Angelegenheiten regeln, von Orten oder Personen Abschied nehmen, sich von Besitz trennen oder allgemeine Hoffnungs- und Hilflosigkeit äußern.
Wenn Sie eines oder mehrere dieser Alarmzeichen bei einem vertrauten Menschen bemerken, sprechen Sie es an! Helfen Sie der betroffenen Person, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen und begleiten Sie sie zum Beispiel in eine Arztpraxis oder in eine Klinik. Bei Verdacht auf einen Suizidversuch rufen Sie Hilfe unter der Telefonnummer 112!
Bleiben Sie bei der Person bis der notärztliche Dienst eingetroffen ist und versuchen Sie zwischenzeitlich, ein Gespräch aufrecht zu halten. Zeigen Sie dabei Verständnis für die aktuell erlebte Perspektivlosigkeit und versuchen Sie nicht, der Person die Suizidpläne auszureden.
Wie wird eine Depression im Alter behandelt?
Wie bei jüngeren Erwachsenen mit Depression gibt es auch im Alter die Möglichkeit einer medikamentösen und/oder psychotherapeutischen Behandlung. Dabei ist der Wirkeintritt bei einer antidepressiven Behandlung mit Medikamenten in der Regel schnell: Die depressiven Symptome, v.a. die Antriebslosigkeit, können sich schon nach zwei bis vier Wochen deutlich bessern. Die Psychotherapie dagegen benötigt etwas mehr Zeit, sie wirkt dafür aber nachhaltiger und hat weniger Nebenwirkungen.
Anlaufstellen
Erste Anlaufstelle bei dem Verdacht auf eine Depression ist die Hausarztpraxis. Eine psychotherapeutische Behandlung ist jedoch dringend anzuraten. Wenn kein Termin bei einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten zu bekommen ist, können sich gesetzlich Versicherte an die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigung wenden. Sie vermitteln einen kurzfristigen Termin für eine psychotherapeutische Sprechstunde, in der zumindest erst mal abgeklärt wird, wie die psychischen Beschwerden einzuschätzen sind, und wie das weitere Vorgehen aussehen kann. Die kostenfreie bundesweite Nummer lautet 116 117.
Tipps für Angehörige: Wie kann ich einen Menschen mit Depression im Alter unterstützen?
Die richtigen Worte zu finden und sich richtig zu verhalten, fällt oft schwer. Versuchen Sie, auf Folgendes zu achten: Machen Sie keine abwertenden Äußerungen und pauschalen Vorwürfe. Vermeiden Sie überfürsorgliches Verhalten, Einschränkungen in der Selbstbestimmung und Appelle an den Willen – nach dem Motto: „Wenn Du willst, dann schaffst Du das schon!“ oder „Lass Dich doch nicht so hängen!“. Wecken Sie keine falschen Hoffnungen und versuchen Sie nicht, die Situation herunterzuspielen oder zu beschönigen. Versuchen Sie stattdessen, die negativen Gefühle des depressiven Menschen und seine schwierige Situation anzuerkennen.
Was können Sie sonst noch tun?
Fragen Sie sich, was der betroffenen Person guttun könnte und wobei sie Unterstützung braucht. Bieten Sie ihr zur Entlastung ein Gespräch an. Mit gezielten Fragen kann es gelingen, die Wahrnehmung auf positive Aspekte zu lenken. Unterstützen Sie bei der Einnahme der Antidepressiva. Um dem sozialen Rückzug gegenzusteuern, können Sie Kontakte zu Familie, Nachbarn und Freunden herstellen und kleine Aktivitäten vorschlagen. Versuchen Sie, gemeinsam mit dem älteren Menschen mit Depression eine Tagesstruktur aufzubauen, zum Beispiel mit regelmäßigen Mahlzeiten, Spaziergängen, Aufgaben im Haushalt, Telefongesprächen, kreativen Phasen, Bettzeiten usw.
Oft übersehen: Pflegende Angehörige
Etwa Dreiviertel der pflegebedürftigen Menschen werden in Deutschland zu Hause von Angehörigen versorgt. Dabei weisen pflegende Angehörige aufgrund der starken emotionalen, zeitlichen und körperlichen Belastungen selbst ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Depression auf.
Wenn Sie selbst eine Person pflegen, informieren Sie sich über Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten, die zur Verfügung stehen und nutzen Sie diese. Sie können sich dazu in einem Pflegestützpunkt beraten lassen oder sich an Ihre Krankenkasse wenden. Viele Krankenkassen bieten Informationen zur Unterstützung von pflegenden Angehörigen an. Auch online gibt es Hilfen bei der Bewältigung des Alltags mit einem depressiv erkrankten Menschen.
Ambulante Dienste können bei der Pflege helfen oder im Haushalt unterstützen. Vernachlässigen Sie nicht Ihre eigene Gesundheit, sondern sorgen Sie für Erholungszeiten. Wichtig ist auch, dass Sie sich angenehme Aktivitäten bewahren und Ihre sozialen Kontakte aufrechterhalten.
Der Text ist die Zusammenfassung der Broschüre „Depression im Alter“, die von der Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. herausgegeben und gemeinsam mit dem Zentrum für psychische Gesundheit im Alter (ZpGA) entstanden ist. Gefördert wurde die Broschüre vom Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit Rheinland-Pfalz im Rahmen der Initiative Bündnisse gegen Depression Rheinland-Pfalz.
Sie können die Broschüre auf der Website www.lzg-rlp.de unter dem Menüpunkt LZG-Shop/Seelische Gesundheit herunterladen oder bestellen.
© Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (LZG)
Text: Hedda Werner (LZG) auf Basis der Broschüre „Depression im Alter“
Redaktion: Birgit Kahl-Rüther, Mail: bkahl@lzg-rlp.de
Weiterführende Links
Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe bietet Betroffenen und Angehörigen vielfältige Informations- und Hilfsangebote auf Ihrer Website.
Bei der Suche nach einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten hilft die Therapeutensuche auf der Website der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz
Weitere Angebote vor Ort sind auch den Bündnissen gegen Depression bekannt. Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner finden Sie unter www.rlp-gegen-depression.de
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