Essen ist mehr als Sattwerden
Donnerstag,
16. Dezember 2021
Kochsendungen im TV haben Hochkonjunktur. Doch in der eigenen Küche muss es oft schnell gehen. Viel zu selten entscheiden wir uns, länger am Herd zu stehen, ein gutes Essen zu kochen oder sogar ein Candle-Light-Dinner zu zelebrieren. Aber warum eigentlich? Essen dient schließlich nicht nur der Sättigung. Essen ist auch Geschmack, Genuss und eine schöne Möglichkeit, seine Zeit mit anderen Menschen zu teilen. Ganz nebenbei dient solch ein bewusstes Essen auch noch der Gesundheit.
Essen als Ritual für die Gesundheit
Rund um Feste wie Weihnachten und den Jahreswechsel spielen das Kochen und das gemeinsame Essen eine besondere Rolle. Dabei wird das gesunde Maß leider oft überschritten. Aber grundsätzlich ist das gemeinsame Essen wertvoll für unsere seelische und körperliche Gesundheit. Warum also besinnen wir uns nicht auch sonst auf die Bedeutung des Essens als soziales Event? Diese Form des Essens dient, im Unterschied zu Fast Food, nicht nur der Sättigung. Es ist auch ein kleines tägliches Erlebnis, bietet Geschmack und Genuss und ist eine schöne Möglichkeit, seine Zeit mit anderen Menschen zu teilen oder sich selbst Gutes zu tun. Dabei müssen die Zutaten nicht teuer, die Rezepte nicht kompliziert sein. Essen als Kultur zu begreifen, geht auch mit kleinem Geldbeutel – und ist unter gesundheitlichen Aspekten besser als der schnelle Snack zwischendurch.
Gut für Seele: Speisen statt essen
Essen, das über das reine Sattwerden hinaus geht, könnte man auch Speisen nennen. Dieses Speisen gehört zu den so genannten ich-nahen Tätigkeiten. Der Begriff kommt aus der Hirnforschung und bezeichnet Tätigkeiten, die uns selbst unmittelbar betreffen. Ich-nahe Tätigkeiten sprechen unsere Empfindungen, Gefühle und Erinnerungen an. Ich-fern dagegen sind Tätigkeiten, bei denen man sich zum Beispiel darauf konzentriert, was alles erledigt werden muss. Wer den ganzen Tag viel erledigt, ist zwar am Abend geschafft, aber dem Gehirn bleibt nichts, was es als besonders wertvolles Ereignis einspeichern kann.
Ich-nahe Tätigkeiten jedoch werden als bildhafte Erinnerungen gespeichert, denn sie haben mit Gefühlen und dem unmittelbaren Leben zu tun. Alles, was wir an Erinnerungsbildern in uns tragen, stammt aus dem Bereich der ich-nahen Tätigkeiten. Das ist der Hauptgrund, warum wir den Tag nicht nur mit Erledigungen verbringen sollten, sondern ihn so inszenieren sollten, dass auch Zeit für Schönes bleibt. Das gemeinsame und bewusste Essen bietet eine einfache Gelegenheit, ich-nah zu leben. Denn essen müssen wir sowieso, und mit einem Minimum an Mehraufwand wird daraus eine genussvolle Tätigkeit, die schon beim Kochen beginnt.
Schmecken und genießen hält das Gehirn fit
Das echte Kochen erfordert volle Konzentration auf die Zubereitung und das eigene Geschmacksempfinden. Wir halten das Gemüse in der Hand, waschen und schälen es, kosten die Soßen, wägen ab, welche Gewürze fehlen und so weiter. Das ist Gehirnjogging pur. Wir lernen dabei, Geschmacksnuancen wahrzunehmen und uns später daran zu erinnern – ein Vorgang, der sich ausschließlich im Gehirn abspielt.
Auch das anschließende Essen kann zu einer Genussschule werden. Genuss geht aber nicht nebenbei, Genussvielfalt muss erlernt werden. Indem man immer wieder Neues ausprobiert, erweitert man den eigenen Erfahrungsschatz, lernt Vorlieben und Abneigungen kennen. Jeder Mensch kann sich so zu einem Gourmet entwickeln. Wenn wir dem Essen alle Sinne widmen, wird es zu einem bewussten Geschmackserlebnis. Nebenbei – parallel zum Fernsehen oder Lesen beispielsweise – ist dieser geschmackliche Erfahrungsschatz nicht zu erwerben.
Bewusstes Essen ist gut für die Figur
Wer sich Zeit für das Essen nimmt und jeden Bissen bewusst wahrnimmt, stärkt nicht nur die Seele und das Geschmackserlebnis. Auch der Körper profitiert davon. Längeres Kauen bereitet die Nahrung besser für die Verdauung vor, so dass der Stoffwechsel besser funktioniert. Langsames Essen macht auch schneller satt. Und wer sich ausreichend Zeit für das Essen nimmt, isst in aller Regel weniger, nimmt also weniger Kalorien zu sich. Im Laufe der Zeit spüren wir durch das bewusste Essen deutlicher, wann wir satt sind. Denn der Körper benötigt nach der Nahrungsaufnahme einige Zeit, um die entsprechenden Signale zu senden. All dies kann dazu beitragen, Übergewicht zu verhindern oder sogar zu verringern. Bereiten wir die Nahrung außerdem selbst zu, verwenden wir gesündere Zutaten. Denn vor allem Fast-Food- und Fertigprodukte enthalten oft zu viel Salz, Zucker und Fett.
Etwas Besonderes: Essen in geselliger Stimmung
Essen in geselliger Stimmung und mit Spaß und Genuss ist auch eine erfolgversprechende Prävention für Essstörungen. Wer bewusst isst, lernt auf die Signale des Körpers zu achten und tendiert weniger dazu, das Essen und seinen Körper zu instrumentalisieren, wie es etwa bei einer Ess-Brech-Störung der Fall ist. Wenn Sie Heranwachsende in der Familie haben, zeigen Sie ihnen, dass am Familientisch jedes alltägliche Essen genussvoll sein kann.
Zu einem ganz besonderen Ereignis hingegen kann ein festliches Essen werden! Früher war es üblicher, mehrere Menschen zum Essen einzuladen. Das ist zeitaufwändig, aber bleibt in schöner Erinnerung. Hierbei geht es nicht in erster Linie um das Essen, sondern um die richtige Atmosphäre. Optimal ist, wenn Sie sechs bis acht Gäste einladen. In dieser Größenordnung kann sich noch ein gemeinsames Gruppengespräch entwickeln. In der aktuellen Corona-Pandemie müssen bei der Gruppengröße jedoch Bedacht und Vorsicht walten. Um sich und andere zu schützen, halten Sie sich an die jeweils gültigen Regeln und Empfehlungen.
Egal, wie groß die Runde ist: Erfreuen Sie sich an der Begegnung und dem Zusammensein, tauschen Sie sich aus, hören Sie sich zu. So wird das gemeinsame Speisen zu einem ich-nahen Erlebnis, das unser Leben lebenswert macht.
© Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (LZG)
Text: Beatrice Wagner beatrice-wagner.de, Susanne Schneider freistil-texte.de
Redaktion: Andrea Sudiana, E-Mail asudiana@lzg-rlp.de
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