Linkshändigkeit: Wer alles mit links macht, hat’s trotzdem nicht einfach
Sonntag,
1. August 2021
Unsere Welt ist für Rechtshändige gemacht. Auch wenn Menschen, die die linke Hand bevorzugen, heute nicht mehr aktiv diskriminiert oder gar in der Schule „umerzogen“ werden, stehen sie häufig vor Schwierigkeiten. Etwa, weil Artikel des täglichen Lebens „falsch“ herum funktionieren. Dabei gibt es inzwischen immer mehr Schreibutensilien, Haushaltsgegenstände, Musikinstrumente usw., die für den Gebrauch mit der linken Hand gemacht sind. Eltern eines linkshändigen Kindes können durch die richtige Ausstattung das Lernen zuhause und in der Schule erleichtern.
Hier können Sie den Gesundheitstext anhören:
„Gib die schöne Hand!“
Noch bis in die 1970er-Jahre wurden in Deutschland Kinder, die bevorzugt die linke Hand benutzten, „umerzogen“. Man ging davon aus, dass es für sie besser sei, sich so früh wie möglich an die richtige – die rechte – Hand zu gewöhnen. Das war nicht nur eine praktische, sondern auch eine moralische Frage. Denn wenn man mit rechts schreibt, „geht es mit rechten Dingen zu“, und wer die linke Hand benutzt, dreht womöglich auch sonst „ein linkes Ding“.
Seitdem hat sich einiges getan, Rechts- und Linkshändigkeit gelten heute als gleichwertig. Eltern, Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehrkräfte werden beispielsweise dazu angehalten, Löffel, Gabel, Stift & Co. in die Mitte vor das Kind zu legen, so dass es selbst entscheiden kann, mit welcher Hand es zugreifen möchte. Kinder sollen damit in ihrer Entwicklung zu Links- oder Rechtshändigkeit nicht beeinflusst werden.
Linkshändigkeit ist die Ausnahme
Knapp 90 Prozent der Menschen sind Rechtshänderinnen und Rechtshänder und können die linke Hand nicht so geschickt koordinieren wie die rechte. Wie es kommt, dass einige Menschen die linke Hand bevorzugen, ist nicht geklärt. Eine eindeutig genetische Ursache scheint ausgeschlossen, da es eineiige Zwillinge mit unterschiedlicher Händigkeit gibt. Andererseits ist die Wahrscheinlichkeit, dass zwei rechtshändige Menschen ein linkshändiges Kind bekommen, sehr gering, während sie bei gemischthändigen Paaren steigt und bei linkshändigen Eltern 50 Prozent beträgt. Bekannt ist auch, dass es unter den Tieren „Linkspfoter“ und „Rechtspfoter“ gibt.
Die Rolle des Gehirns
Bei Menschen, die die rechte Hand bevorzugen, wird das Schreiben von der linken Hirnhälfte gesteuert. Bei Linkshändigkeit dagegen ist die rechte Hirnhälfte beim Schreiben aktiv. Grund sind die über Kreuz verlaufenden Nervenbahnen. Werden linkshändige Menschen umgeschult, führt das auch zur teilweisen Umschulung des Gehirns: Die Steuerung der Bewegung, vor allem der Feinmotorik, wird von der rechten in die linke Hirnhälfte verlagert. Das Planen und Koordinieren der Handbewegung hingegen erfolgt bei den umgeschulten Linkshänderinnen und Linkshändern nach wie vor in der rechten Hirnhälfte. Das verlangt vom Gehirn erhebliche Mehrarbeit.
Einige Psychologinnen und Psychologen vermuten, dass das Gehirn durch die Umschulung teilweise überfordert ist. Bettnässen, Konzentrationsschwäche, Gedächtnisstörungen und Versagensängste werden als mögliche Konsequenzen der aufgezwungenen Umgewöhnung betrachtet. Dafür gibt es allerdings keine wissenschaftlichen Belege. Es fühlt sich für die Kinder jedoch falsch an, mit rechts zu schreiben, wenn es doch mit links viel leichter geht. Zudem kann die dominante Hand schneller, exakter und stärker agieren. Letztlich werden linkshändige Kinder also benachteiligt, wenn sie ihre dominante Hand nicht benutzen dürfen.
Mehr Aufmerksamkeit für linkshändige Menschen
Einmal im Jahr, immer am 13. August, rückt der „Internationale Linkshändertag“ linkshändige Menschen in den Mittelpunkt und macht auf ihre Bedürfnisse aufmerksam. Denn ein Leben mit Linkshändigkeit ist nicht immer ganz einfach. Ein Problem besteht z.B. beim Schreiben. Wenn Linkshändige dabei die gleiche Handhaltung einnehmen wie Rechtshändige, verschmiert die Tinte und das bereits Geschriebene wird verdeckt. Das Schreiben mit links erfordert also eine besondere Ausrichtung der Hand. Das Blatt liegt links von der Körpermitte und ist leicht nach rechts geneigt. In Linkshänderläden, im Onlinehandel und auf Linkshänderseiten im Internet gibt es spezielle Schreibtischauflagen zu kaufen. Sie tragen eine aufgedruckte Zeichnung, welche die Lage des Hefts und die Handhaltung vorgibt.
Auch ein speziell für linkshändige Kinder ausgerichteter Füller ist nötig. An manchen Schulen ist statt des Füllers auch ein Tintenstift erlaubt, der praktischer ist. Die richtige Haltung und das richtige Schreibgerät ermöglichen eine lockere und unverkrampfte Schreibhaltung. Wenn das linkshändige Kind in der Schulbank auf der linken Seite sitzt, kommt es auch dem rechten Arm des rechtshändigen Kindes nicht in die Quere.
Eltern können ihrem linkshändigen Kind durch die richtige Ausstattung und den passenden Sitzplatz das Lernen in der Schule und zuhause erleichtern. Besprechen Sie das Thema am besten rechtzeitig mit der Lehrerin oder dem Lehrer.
Einfache Dinge, die das Leben mit links leichter machen
Für die Betroffenen ist nicht nur das Schreibgerät eine Herausforderung. Werkzeuge, Maschinen und Haushaltsgeräte sind grundsätzlich für Rechtshändigkeit gestaltet. Jedoch gibt es immer mehr Artikel, die für den Gebrauch mit der linken Hand konzipiert sind: Scheren und Spitzer, Lineale mit einer von rechts nach links laufenden Skala und rechts gebundene Spiralblöcke. Ergonomisch für die linke Hand geformte Computermäuse und Tastaturen mit dem Ziffernblock auf der linken Seite sind ebenfalls erhältlich. Im Haushalt sind besondere Korkenzieher, Sparschäler und von links zu bedienende Schneidemaschinen hilfreich.
Auch beim Musizieren gibt es eine dominante und eine weniger dominante Hand. Gitarren, Bässe und Harfen werden auch für das Spielen mit links angeboten. Holzblasinstrumente stellen normalerweise kein Problem dar. Ein Schlagzeug kann gespiegelt aufgebaut werden. Ein linkshändiges Klavier gibt es allerdings nicht, wohl aber einige Komponisten, die großen Wert auf eine starke und geschickte linke Hand legen, wie Beethoven oder Mozart.
Ausgetrickst mit links
Im Sport hat Links- oder Beidhändigkeit meist Vorteile. Die Tennisspielerin Monika Seles verwirrte beispielsweise ihre Matchpartnerinnen, weil sie die Vorhand beidhändig spielen konnte. Im Fuß- und Handball, im Fecht- und im Boxsport fällt den Gegnerinnen und Gegnern die Verteidigung meist schwerer, wenn ein Angriff von links kommt.
Viele herausragende Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur und Politik sind oder waren linkshändig: Barack Obama und Bill Gates, Lady Gaga und Kurt Cobain, Charlie Chaplin und Marylin Monroe, Albert Einstein und Marie Curie, Caesar und Michelangelo. Dass linkshändige Menschen grundsätzlich kreativer und begabter sind als rechtshändige, ist jedoch nicht erwiesen.
Insgesamt betrachtet leben wir in einer „Welt der rechten Hand“. Trotz zahlreicher Hilfen für linkshändige Menschen ist Vieles auf rechts ausgelegt. Das kann durchaus gefährlich werden – etwa, weil Notfallknöpfe an technischen Anlagen meist rechts angebracht sind. Dies spiegelt auch eine amerikanische Untersuchung wider, nach der linkshändige Menschen unfallgefährdeter sind als rechtshändige. Bleiben Sie als Linkshänderin oder Linkshänder also besonders aufmerksam!
© Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (LZG)
Text: Dr. Beatrice Wagner, www.beatrice-wagner.de
Redaktion: Birgit Kahl-Rüther, Mail: bkahl@lzg-rlp.de
Weiterführende Links
Linkshändige in der Wissenschaft
Interessantes zur Linkshändigkeit
Zahl der linkshändigen Menschen
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