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Neue Wege, mit Trauer umzugehen

Donnerstag, 1. November 2018

Die Themen Trauer und Sterben sind im Alltag der meisten Menschen wenig präsent. Stirbt ein Mensch, wissen wir oft nicht einmal, was wir seinen Angehörigen sagen sollen. Wenn wir selbst einen lieben Menschen verlieren, fällt es uns schwer, mit unserer Trauer umzugehen. Dabei gehört der Tod zum Leben genauso dazu wie die Geburt. Dies zu akzeptieren und zu wissen, was die Trauer mit denen macht, die zurückbleiben, hilft uns im Umgang damit – sei es bei uns selbst, sei es bei anderen.

Trauer hat viele Gesichter

Zunächst ist es wichtig zu wissen, dass sich Trauer bei jedem Menschen anders äußert. Will die eine so schnell wie möglich wieder arbeiten gehen, hat der andere eine längere Auszeit nötig. Manche haben einen großen Redebedarf, während andere eine Weile brauchen, bis sie über ihren Verlust sprechen können. Das ist zu beachten, bevor wir meinen, es sei für einen trauernden Menschen Zeit, wieder aus dem Haus zu gehen, oder bevor wir die Ernsthaftigkeit der Trauer in Zweifel ziehen, weil Betroffene schon wieder den Alltag haben einkehren lassen.

Trauer braucht Zeit

Die meisten Menschen unterschätzen die Dauer der Trauerphase. Tatsächlich kann sie Jahre dauern – abhängig von der persönlichen Lebenssituation, den Umständen des Todes, früheren Verlusterfahrungen und zahllosen weiteren individuellen Gegebenheiten. Aufgrund jahrelanger Beobachtungen teilt man heute die Trauerzeit in Phasen ein. Sollten Sie eine trauernde Person begleiten, können Sie anhand dieser Beschreibungen leichter einschätzen, ob eine Trauer „gesund“ verläuft oder ob Sie eventuell eine Ärztin oder einen Psychologen hinzuziehen sollten. Selbstverständlich können Sie die Phasen auch an sich selbst beobachten.

Die Phase des Schocks

Die Phase des Schocks ist davon geprägt, dass man nicht wahrhaben kann, dass ein Mensch gestorben ist. Man fühlt sich wie gelähmt, es herrscht Fassungslosigkeit angesichts des Unbegreiflichen und des Endgültigen. Der Schock hat aber auch eine Schutzfunktion, denn wir könnten den Tod auf einen Schlag vermutlich gar nicht verkraften. „Der Tod ist keine Reise, von der jemand zurückkehrt. Der Tod ist eine Emigration“, schreibt Sterbeamme Claudia Cardinal.

In dieser ersten Phase hilft vor allem Nähe. Seien Sie einfach da. Bereiten Sie einen Tee oder eine kleine Mahlzeit, regen Sie einen Spaziergang an, bringen Sie eine Kuscheldecke, hören Sie zu oder halten Sie die Hand, wenn stumme Tränen laufen. Die Schockphase kann mehrere Wochen dauern. Sprechen Sie also den Verlust immer wieder einmal an. So weiß der Trauernde, dass Sie das Ereignis nicht vergessen haben und dass er oder sie in Ihnen eine Vertrauensperson hat.

Die Phase der Niedergeschlagenheit

In dieser Phase beginnt man zu realisieren, dass der geliebte Mensch nicht mehr da ist. Die ungestillte Sehnsucht ist schmerzvoll. Quälende Fragen, starke Emotionen wie Wut, Angst, Verzweiflung und sogar Schuldgefühle kommen auf: Habe ich etwas versäumt zu tun? War ich liebevoll genug? Manche Trauernde verharren in der Vergangenheit: Sie versuchen beispielsweise sich vorzustellen, wie der geliebte Mensch wohl gestorben ist. Innere Bilder verfolgen sie häufig Tag und Nacht.

Wenn ein trauernder Mensch in Ihrem Umfeld ist, dann nehmen Sie alle seine Gefühle ernst, ohne ihn in Grübeleien zu verstärken. Auch negative Gefühle wie Wut haben ihren Platz: Wut etwa darüber, dass der Verstorbene „sich einfach aus dem Staub gemacht hat“.

Wenn Sie selbst trauern und unter quälenden Vorstellungen leiden, nehmen Sie achtsam wahr, dass Sie im Moment verzweifelt sind oder dass Sie sich Gedanken über Ereignisse in der Vergangenheit machen. Doch dann lassen Sie diese Gedanken frei! Vielleicht setzen Sie ein inneres Bild, das Sie belastet, gedanklich auf ein Papierschiffchen und lassen es im Fluss wegtreiben. Oder Sie stellen sich vor, wie es undeutlich wird und verblasst. Denken Sie immer daran: Es geht nicht darum, den toten Menschen zu vergessen. Es geht darum, sich von den selbstquälenden Gedanken zu befreien.

Versuchen Sie, trotz des Schmerzes auf sich zu achten. Gesundes, regelmäßiges Essen tut gut, genauso wie Bewegung. Planen Sie Zeit für Entspannung ein, vielleicht wählen Sie Massagen oder eine andere Form der ganzheitlichen Körperarbeit. Nehmen Sie Positives aufmerksam wahr und versuchen sie, es zu verstärken. Schreiben, Malen und andere kreative Tätigkeiten können dabei helfen.

Die Phase der Niedergeschlagenheit ist geprägt von Antriebslosigkeit, Orientierungslosigkeit und Konzentrationsschwäche. Sie ist insgesamt die schwerste Phase, und sie kann viele Monate dauern. Leicht nimmt sie einen depressiven Charakter an. Auch der Körper ist in dieser Phase sehr anfällig. Viele Menschen ziehen sich dann in sich selbst zurück. Deshalb ist es wichtig, den Kontakt zu Trauernden nicht abreißen zu lassen. Gehen Sie auf den trauernden Menschen immer wieder zu, regen Sie gemeinsame Aktivitäten an. Vielleicht versuchen Sie, zusammen positive Vorstellungen von der Zukunft zu entwickeln. Vielleicht schlagen Sie auch vor, eine professionelle Trauerbegleitung in Anspruch zu nehmen.

Die Phase der Bewältigung und Sinnfindung

Bis sich nach einem Todesfall wieder ein Gefühl der Normalität einstellt, können ein bis zwei Jahre vergehen. Betroffene wenden sich in dieser vierten Phase wieder nach außen, sind aktiver und können ihr Leben wieder gestalten.

Oft geht die Trauer über in Ängste vor dem eigenen Tod. Diese Gedanken sollten nicht verdrängt werden. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit kann helfen, mit dem Leben klarzukommen. Denn viele Dinge relativieren sich, wenn man bedenkt, dass alles endlich ist. Wir können Situationen intensiver erleben, wenn wir uns bewusstmachen, dass das Leben nicht unbegrenzt zur Verfügung steht.

Im Mittelalter gab es zur Erinnerung an die eigene Sterblichkeit Darstellungen des Memento mori. Dies waren etwa Amulette oder Fresken mit Totenschädeln oder Darstellungen des Todes. Irvin Yalom, ein bekannter existentialistischer Psychoanalytiker, meint: „Wir sollen nicht die Angst vor dem Tod verdrängen oder verlieren, sondern wir sollen sie für unser Leben nutzen“.

Der Gedanke an den Toten wird irgendwann ein Begleiter des Lebens werden. Jemand, der uns vielleicht sanft und liebevoll daran erinnert, heute unser eigenes Leben zu leben und das zu tun, was wirklich wichtig ist.

Hilfe und Unterstützung in Rheinland-Pfalz

In Rheinland-Pfalz engagieren sich viele Menschen in der Hospizbewegung. Die Hospizvereine haben unterschiedliche Angebote, auch solche für trauernde Angehörige. Dazu gehören Veranstaltungen ebenso wie Trauergruppen und individuelle Trauerbegleitungen.

Der Hospiz- und PalliativVerband Rheinland-Pfalz e.V. informiert auf seiner Homepage über die Angebote von Hospiz- und Palliativeinrichtungen.

© Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (LZG)
Text: Dr. Beatrice Wagner


 

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