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Pflegende An- und Zugehörige – zwischen Fürsorge und Selbstfürsorge

Sonntag, 1. November 2020

Wer für einen pflegebedürftigen Menschen verantwortlich ist, weiß: Das ist ein 24-Stunden-Job. Auch wenn die pflegerischen Leistungen in vielen Fällen von professionellen Dienstleistern übernommen werden, bleibt für die An- und Zugehörigen noch genug zu tun. Im Grunde genommen sind sie für alles verantwortlich: für die Haushaltsführung und die Körperpflege, für die Korrespondenz mit der Pflegekasse und andere geschäftliche Angelegenheiten, für Arztbesuche und Medikamentengabe, für die Kontaktpflege. Alles muss irgendwie organisiert werden. Dazu gehört auch Zeit für Gespräche: Einfach mal zusammensitzen und reden, sich mit den Sorgen und Nöten des pflegebedürftigen Menschen beschäftigen. Das alles unter einen Hut zu bringen, ist nicht einfach. Viele, die sich um einen pflegebedürftigen Menschen kümmern, sind Allround-Manager und fühlen sich für die gesamte Lebensführung des Betroffenen zuständig. Und das ist weit mehr, als nur die klassische Pflege. Da es nicht immer Familienangehörige sind, die diese Rolle übernehmen, sondern häufig auch andere nahestehende Personen, bringt der Begriff „versorgende An- und Zugehörige“ besser auf den Punkt, um wen und um was es geht.

Die Belastung ist groß

Die umfassende Versorgung kostet viel Zeit und Kraft. Durch die Corona-Pandemie ist alles noch schwieriger geworden, denn Entlastungsangebote können nicht wie gewohnt in Anspruch genommen werden. Dazu müssen An- und Zugehörige auch das eigene Leben – Partnerschaft, Kinder, Beruf und andere Verpflichtungen – mit der Pflege in Einklang bringen. Viele fühlen sich wie im Hamsterrad und sehen keine Chance, der Belastung zu entkommen.

Ein Leben in ständiger Verantwortung, mit wenig Ruhepausen und oft schlechtem, immer wieder unterbrochenem Schlaf fordert seinen Tribut. Untersuchungen zeigen, dass privat Pflegende 50 Prozent mehr körperliche Probleme haben als der gleichaltrige Durchschnitt der Bevölkerung. Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Erschöpfungszustände und depressive Verstimmungen sind nur einige der Beschwerden, die bei ihnen häufig auftreten.

Deshalb ist es für pflegende An- und Zugehörige notwendig, auf sich zu achten. Der dringende Rat: Nehmen Sie auch einmal Abstand von Ihrem Alltag, suchen Sie Entspannung und Entlastung, um nicht auf Dauer selbst in die Knie zu gehen.

Angeleitete Auszeiten

Um den Spagat zwischen Fürsorge und Selbstfürsorge zu ermöglichen, gibt es zum Beispiel von den Krankenkassen verschiedene Angebote. Dazu gehören mehrtägige Seminare, in denen pflegende An- und Zugehörige lernen, wie sie die Fürsorge für die eigene Gesundheit in ihren Alltag integrieren können. Auch gemeinsame Trainings- und Erholungswochen für pflegebedürftige Menschen und ihre Pflegepersonen werden angeboten. Die Pflegepersonen können an Vorträgen, Kursen und Freizeitaktivitäten teilnehmen, während die mitgereisten Pflegebedürftigen in einer Tages- oder Kurzzeitpflegeeinrichtung betreut werden. Fragen Sie bei Ihrer Krankenkasse nach, welche Angebote sie im Programm hat.

Urlaub von der Pflege

Wenn die private Pflegeperson vorübergehend verhindert ist, übernimmt die Pflegeversicherung die Kosten für eine Ersatzpflegekraft. Das geht für längstens sechs Wochen und für einen Erstattungsbetrag von bis zu 1.612 Euro pro Jahr. Voraussetzung für diese sogenannte Verhinderungspflege ist, dass die pflegebedürftige Person mindestens in Pflegegrad 2 eingestuft ist und die Pflegeperson sie mindestens sechs Monate in der häuslichen Umgebung gepflegt hat.

Die Verhinderungspflege kann in Anspruch genommen werden, wenn Sie als Pflegeperson länger abwesend sind, z.B. durch eigenen Urlaub oder Krankheit, aber auch, wenn Sie stundenweise eine Auszeit brauchen. So können Zeiten überbrückt werden, in denen Sie zum Friseur, in die Stadt oder zum Treffen mit Freunden gehen. Auf solche Aktivitäten müssen Sie nicht verzichten! Sie sollten die Möglichkeit nutzen, auf die Vertretung durch eine andere Person zurückzugreifen, um sich damit ein Stück eigenes Leben zu bewahren.

Eine weitere Leistung der Pflegeversicherung zur Entlastung pflegender Angehörige ist die Kurzzeitpflege. Darunter versteht man eine vollstationäre Heimunterbringung, die für maximal acht Wochen bzw. 1.612 Euro pro Jahr möglich ist. Sie gilt für Pflegebedürftige ab Pflegegrad 2. Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege sind kombinierbar, so dass die jeweils zur Verfügung stehenden Summen erhöht werden können. Lassen Sie sich bei der Pflegeversicherung oder in einem Pflegestützpunkt über die verschiedenen Möglichkeiten beraten.

Auch eine gemeinsame Reise mit der pflegebedürftigen Person ist machbar. Der Urlaub mit einem Menschen mit Demenz, vielleicht an einen Urlaubsort aus früheren Zeiten, kann Erinnerungen wecken und ein schönes Erlebnis für beide Seiten werden. Es gibt einige Angebote für betreutes Reisen. Die Broschüre der LZG „Zeit für mich – Erholung von der Pflege“ informiert u.a. über beispielhafte Urlaubsformen, die Reisewillige gemeinsam mit Menschen mit Demenz nutzen können.

Kreativ werden

Um einfach mal abzuschalten, muss man nicht gleich mehrere Tage Urlaub nehmen. In vielen Kommunen gibt es spezielle Entlastungsangebote für pflegende An- und Zugehörige, die immer mal wieder oder auch regelmäßig angeboten werden. Es gibt zum Beispiel kreative Angebote, Tanzcafés, Wanderungen, betreute Ausflüge ins Theater oder ins Museum. Auch Entspannungstechniken können in Kursen erlernt werden.

Gut ist es, wenn diese Frei-Zeiten fester Bestandteil des Alltags werden. Einmal die Woche raus und zwar regelmäßig – das sollte Ihr Motto werden. Angebote finden Sie häufig in der Tageszeitung, bei den Alzheimergesellschaften in Rheinland-Pfalz, auf den Webseiten der Wohlfahrtsverbände, bei Volkshochschulen oder Familienbildungsstätten.

Selbsthilfegruppen

Ein wichtiger Bestandteil der Hilfsangebote sind Selbsthilfegruppen. Das Gespräch mit anderen Menschen, die in derselben Situation sind, kann Anregungen geben und bei der Bewältigung schwieriger Situationen helfen. Die regionalen Alzheimergesellschaften bieten auch Gruppen für Pflegende an. Die vier regionalen Selbsthilfekontaktstellen in Edesheim, Mainz, Trier und Westerburg vermitteln Informationen zu Selbsthilfegruppen und helfen dabei, neue Gruppen ins Leben zu rufen.

Wenn die Eltern weit weg sind

Schwierig ist die Situation für Menschen, deren pflegebedürftige Angehörige kilometerweit entfernt leben. Auch wenn sich Einiges, wie etwa der Pflegedienst, aus der Distanz organisieren lässt: Einfach mal schauen, ob alles in Ordnung ist – das lässt sich bei großer Entfernung nicht machen. Von diesem Problem sind viele betroffen. Etwa die Hälfte der Kinder lebt zwei Stunden entfernt von der Herkunftsfamilie, ein Fünftel sogar mehr als zwei Stunden.

Die Lösung für diese Familien könnte eine Tauschplattform für pflegende Angehörige sein. Das Prinzip: Interessierte vernetzen sich mit anderen Angehörigen und „tauschen“ die Fürsorge für eine ihnen nahestehende Person. Während jemand also einen alten Menschen in seiner Nähe begleitet, erhält die angehörige pflegebedürftige Person Unterstützung durch einen „Tauschpaten“ oder eine „Tauschpatin“ am Wohnort. Der Viva Familienservice ist gerade dabei, eine solche Vernetzung bundesweit zu organisieren. Wenn Sie Interesse daran haben, wenden Sie sich direkt dorthin.

Springen Sie über Ihren Schatten

Viele pflegende An- und Zugehörige nehmen die Hilfe, die angeboten wird, nicht an. Oft genug auch deshalb, weil die Pflegebedürftigen das nicht wollen. Sie wollen keine Fremden im Haus, sie haben Angst vor der neuen Situation, sie klammern sich an ihre Kinder oder Partner. Auch wenn das alles verständlich ist: Setzen Sie Ihr Bedürfnis nach Entlastung durch! Es hilft niemandem, wenn Sie selbst krank werden.

© Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (LZG)
Text: Marion Mück-Raab
Redaktion: Birgit Kahl-Rüther, Mail: bkahl@lzg-rlp.de


 

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