Viel hilft viel? Was ist bei einem Medikamentenmix zu beachten?
Montag,
16. Januar 2017
Der Medikamentenmix – nicht unüblich
Viele Menschen nehmen regelmäßig parallel viele verschiedene Medikamente ein, und zwar nicht zu knapp. Dies zeigte eine Erhebung des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts unter den gesetzlich Versicherten im Jahr 2009: Für jeden vierten von ihnen waren im Verlauf eines Jahres fünf oder mehr unterschiedliche Wirkstoffe zur Behandlung notwendig. Für zwölf Prozent der Versicherten wurden sogar elf oder mehr verschiedene Wirkstoffe über das gesamte Jahr verordnet. Polymedikation ist der Fachausdruck für dieses Phänomen. Davon betroffen sind vor allem ältere und chronisch kranke Menschen, die ihre Medikamente oft von mehr als einer Ärztin oder einem Arzt verordnet bekommen.
Mögliche Folgen der Polymedikation
Das Problem bei der Polymedikation: Die Medikamente beeinflussen sich gegenseitig. So können sich die unerwünschten Neben- und Wechselwirkungen gegenseitig verstärken, oder die heilsame Wirkung wird aufgehoben. Dies kann beispielsweise zu Entgleisungen von Blutdruck, Blutzucker oder des Elektrolythaushaltes führen, zu unerklärlichen Blutungen oder einer lebensgefährlichen Herzschwäche. Bei der Einnahme von zwei Medikamenten sind die gegenseitigen Wechselwirkungen noch überschaubar. Bei drei oder mehr Medikamenten ist dies oft nicht mehr der Fall. Immer besteht auch die Gefahr der Übertherapie. Es kann etwa zu der absurden Situation kommen, dass mehrere Fachärzte unabhängig voneinander einen Bluthochdruck feststellen und je einen Blutdrucksenker verordnen. Schließlich kommt jede Ärztin beziehungsweise jeder Arzt der eigenen Verantwortung nach und behandelt den Patienten entsprechend. Die Sorge der Patienten, dass Behandlungsfehler auftreten, ist zu 80 Prozent der Grund für eine solche Überversorgung, so hieß es auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) 2016. Das Fatale daran ist, dass sich die Patientin oder der Patient zumindest am Anfang durch die Überversorgung besser fühlt, bis dann die eingangs erwähnten Probleme durch wechselseitige Nebenwirkungen auftreten und böse Folgen wie Schlaganfall, Osteoporose, Multiorganversagen oder Herztod nach sich ziehen.
Ein Lotse durch die Arzneiverordnungen: der Medikationsplan
Um die Gefahr von Überversorgung und unkontrollierbaren Wechselwirkungen in den Griff zu bekommen, wäre eine Art Lotse sinnvoll, der all die verschiedenen Verordnungen im Blick hat. Aber auch dann ist es schwierig, da die Wechselwirkungen ein kompliziertes Geflecht bilden, das nicht so ohne Weiteres zu durchschauen ist. Dieses Problem hat auch die Politik erkannt. Zusammen mit Krankenkassen, den Kassenärztlichen Vereinigungen und Apotheken hat das Gesundheitsministerium einen gesetzlich verankerten Medikationsplan herausgegeben, der seit Oktober 2016 einem bestimmten Patientenkreis ausgehändigt werden muss.
So funktioniert der Medikationsplan
Im elektronischen Medikationsplan werden alle einzunehmenden Medikamente eingetragen. Er enthält zudem Informationen zum Wirkstoff, der Stärke und der Dosierung des Medikamentes. Auch bietet er Platz für Zusatzinformationen wie Grund der Einnahme und weitere Hinwei-se. Vorerst ist die Vorgehensweise, dass der Plan von der hausärztlichen Praxis ausgedruckt und den Patienten in Papierform mitgegeben wird. Diese legen ihn ihrer Fachärztin oder ihrem Facharzt vor und lassen die Verordnungen eintragen. Auch freiverkäufliche Medikamente werden hier eingetragen, entweder vom Patienten selbst oder in der Apotheke. Es ist die Aufgabe der hausärztlichen Praxis, die Notizen in den elektronischen Medikationsplan zu übertragen und diesen regelmäßig zu aktualisieren. Dabei werden der Praxis bei gegenseitigen Wechselwirkungen oder Unverträglichkeiten automatisch Warnhinweise angezeigt. Hat eine Patientin oder ein Patient keinen Hausarzt, übernimmt eine Fachärztin oder ein Facharzt diese Aufgabe. Auf Wunsch kann auch in der Apotheke dieser Plan verwaltet werden.
Wer hat Anspruch auf einen Medikationsplan?
Auf einen Medikationsplan haben Sie dann Anspruch, wenn Sie chronisch krank sind und jeden Tag drei oder mehr vom Arzt verordnete Wirkstoffe einnehmen müssen. Wen auch immer Sie mit der Pflege des Planes beauftragen: Diese Person erkennt, welche Medikamente Sie insgesamt einnehmen und kann die Arzneimitteltherapie daraufhin abstimmen. So müssen manchmal einzelne Präparate abgesetzt oder durch andere ersetzt, oder die Dosierung muss verändert werden.
Freiwillige Teilnahme
Der Medikationsplan ist ein Schritt in eine höhere Sicherheit für Ihre Gesundheit. Doch was so plausibel klingt, hat auch Nachteile. Möglicherweise hat Ihnen eine Psychiaterin oder ein Psychiater ein Psychopharmakon verschrieben, etwa zur Stimmungsaufhellung, und Sie möchten vermeiden, dass alle Ärzte davon erfahren. Oder ein banales aber sehr menschliches Beispiel: Ein männlicher Patient nimmt gelegentlich eine sogenannte Potenzpille ein und möchte nicht, dass seine Frau davon erfährt. Mit dem Eintrag in den Medikationsplan wird das schwierig. Da die Teilnahme an der Medikationsplanung freiwillig ist, liegt natürlich die Entscheidung, welcher Ärztin oder welchem Arzt Sie den Plan vorlegen, in Ihrer Hand. Doch aus ärztlicher Sicht ist die gewissenhafte Teilnahme an der Medikationsplanung – wohlbemerkt für Ihre Gesundheit – sinnvoll, da die Auswirkungen einer unkontrollierten Medikamenteneinnahme immens, ja lebensgefährlich, werden können.
Neuerung in der Handhabung ab 2018
Ab 2018 wird der Medikationsplan auf der neuen Gesundheitskarte eingespeichert und mit einem Spezialgerät abrufbar sein. Er ist dann Baustein des europaweit geltenden E-Health-Gesetzes, nach dem alle Vertragsärzte sowie Apothekerinnen und Apotheker dazu verpflichtet werden, die Medikationspläne bei jeder neuen Verschreibung zu aktualisieren.
© Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (LZG)
Text: Dr. Beatrice Wagner
Redaktion: Birgit Kahl-Rüther