Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V.
telephone 06131-2069-0
search

Wie sage ich es meinem Kind? Wenn Eltern unter Depression leiden

Freitag, 7. Oktober 2022

Jeder fünfte Mensch erkrankt einmal im Leben an einer Depression – Frauen sind davon doppelt so häufig betroffen wie Männer. Dabei macht die Krankheit vor keiner Lebenssituation Halt und trifft auch Eltern. Etwa 10 bis 20 Prozent aller Mütter bekommen nach der Geburt ihres Kindes eine sogenannte postpartale Depression, und rund 500.000 Kinder in Deutschland haben ein Elternteil, das unter einer Depression leidet. Ein Teil der Kinder entwickelt im späteren Leben ebenfalls psychische Belastungen – aber nur bei etwa einem Drittel von ihnen wird die Erkrankung frühzeitig erkannt.

Was können betroffene Eltern tun, um ihren Kindern den Umgang mit der Erkrankung zu erleichtern und welche Hilfen gibt es? Diplom-Psychologin Sabine Maur, Präsidentin der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, gibt im Gespräch Antworten auf diese und andere Fragen.

Hier können Sie das Interview hören:


Wie reagieren Kinder auf die Depression der Eltern?

Viele Kinder leiden unter der Depression ihrer Mutter oder ihres Vaters. Sie merken, dass es Mama oder Papa nicht gut geht. Wenn jedoch nicht offen darüber gesprochen wird, verstehen sie nicht, warum die Eltern oft traurig sind und wenig Energie haben. Jüngere Kinder denken dann schnell, dass sie selbst schuld am Zustand des Elternteils sind. Manche Kinder versuchen, ihren Eltern zu helfen, sie aufzumuntern, ihnen Arbeit abzunehmen. Dabei kann es zu einer Rollenumkehr kommen, in der die Kinder – meistens die Ältesten in der Geschwisterreihe –  die Elternfunktion übernehmen. Das überfordert Kinder. Die emotionale Belastung kann sich in Bauch- oder Kopfschmerzen ausdrücken. Manche Kinder zeigen schulische Probleme oder ziehen sich aus ihrem Freundeskreis zurück.

Wie zeigen sich Depressionen?

Die Anzeichen einer Depression können vielfältig sein. Typisch sind Erschöpfung, innere Leere und mangelnde Energie selbst für einfache Tätigkeiten. Auch häufiges Weinen, Grübeln, kreisende Gedanken sowie Schuldgefühle können ein Hinweis sein. Depressive Menschen leiden häufig unter Ängsten und Panikattacken, verringertem Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, sind extrem reizbar und zeigen ein nachlassendes allgemeines und sexuelles Interesse.

Bei einer Depression können auch zwiespältige Gefühle gegenüber dem Kind auftreten, vor allem bei Depressionen kurz nach der Geburt. Die zweifelnden Gedanken und negativen Empfindungen gegenüber dem Kind sind oft verbunden mit Schuldgefühlen und Scham – weshalb Eltern sie häufig verschweigen

Warum ist der offene Umgang mit der Erkrankung wichtig?  

Es ist nicht leicht, über die eigene Depression zu sprechen. Oft fehlen einem die Worte, diesen Zustand gut zu beschreiben. Auch aus Angst vor dem Urteil anderer Leute oder weil sie befürchten, dass das Wissen die Kinder zu sehr belastet, vermeiden manche Eltern, über ihre Depression zu sprechen. Die Erkrankung wird so zu einem Tabuthema: innerhalb der Familie, aber auch gegenüber Außenstehenden.

Es gibt nicht die eine ideale Formulierung, wie man Kindern diese Erkrankung erklären kann. Es hat sich aber gezeigt, dass es sehr wichtig und hilfreich ist, überhaupt über die Depression zu reden – für die Betroffenen selbst und für die Familienmitglieder. Reden hilft Kindern, den inneren Zustand und das Verhalten der Eltern besser einzuordnen. Viele Eltern wollen ihr Kind durch Schweigen schützen – dabei ist es wichtig zu wissen, dass Kinder sehr feinfühlig sind und weit mehr mitbekommen, als man selbst glaubt.

Wenn Kinder die Dinge nicht einordnen können und nicht erklärt bekommen, dann suchen sie die Schuld bei sich selbst. Wenn Sie also unter einer Depression leiden, helfen Sie Ihrem Kind, Sie besser zu verstehen, damit es die Gründe für Ihr Verhalten nicht direkt auf sich bezieht. Lassen Sie zu, dass Ihre Familie mit anderen vertrauten Menschen spricht, das kann entlastend wirken. Manchmal kann es hilfreich sein, sich dafür professionelle Unterstützung zu suchen.

Wie können Sie Ihr Kind in seiner Entwicklung zu unterstützen?

Denken Sie stets daran, wenn Sie an sich zweifeln: Sie machen viel mehr richtig und gut, als Sie glauben! Loben Sie aber auch Ihr Kind. Geben Sie ihm Anerkennung für das, was es in bzw. trotz der schwierigen Familiensituation leistet. Kinder brauchen soziale Kontakte – ermöglichen Sie diese soweit es geht. Besonders Hobbys sind wichtig für Kinder. Ermutigen Sie Ihr Kind zu sportlicher Aktivität oder zu anderen Freizeitbeschäftigungen und stärken Sie sein Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein. Vernachlässigen Sie aber auch nicht Ihr eigenes soziales Umfeld, pflegen Sie Freundschaften und Kontakte, das kommt auch Ihrem Kind zugute.

Sollte es in Ihrer Nähe ein Unterstützungsangebot für Kinder von psychisch kranken Eltern geben, machen Sie nach Möglichkeit Gebrauch davon. Die Teilnahme an solchen Gruppen, die häufig von Beratungsstellen angeboten werden, tut Kindern gut und vermindert das Risiko, dass sie später selbst psychisch erkranken. Erkundigen Sie sich zum Beispiel bei Familien- und Erziehungsberatungsstellen vor Ort nach einem entsprechenden Angebot.

Professionelle Hilfe und Behandlung

Sollten Sie bereits in Therapie sein, dann vernachlässigen Sie diese nicht und nehmen Sie die Termine wahr. Wenn Sie noch nicht in Behandlung sind, wenden Sie sich zunächst an Ihre Hausarztpraxis. Sie haben Hilfe und Unterstützung verdient! Eine Depression ist eine sehr belastende Erkrankung, die häufig professionelle psychotherapeutische oder medizinische Unterstützung erfordert. Die eigene Therapie hilft auch, die Auswirkungen der Erkrankung auf Ihre Kinder zu reduzieren.

Wenn kein Termin bei einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten zu bekommen ist, können sich gesetzlich Versicherte an die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigung wenden. Sie vermitteln einen kurzfristigen Termin für eine psychotherapeutische Sprechstunde, in der zumindest erst mal abgeklärt wird, wie die psychischen Beschwerden einzuschätzen sind und wie das weitere Vorgehen aussehen kann. Die kostenfreie bundesweite Nummer lautet 116 117.

Holen Sie sich Unterstützung aus Ihrem sozialen Umfeld und nutzen Sie die vorhandenen Hilfs- und Unterstützungsangebote. Falls Sie im Haushalt Entlastung brauchen, gibt es die Möglichkeit, durch die Krankenkasse unterstützt zu werden. Beratungsstellen und Jugendämter bieten verschiedene Formen guter pädagogischer Hilfen für Kinder an.

Dieser Text ist eine Zusammenfassung der Broschüre „Elterninfo: Depression – Kindern depressiver Eltern helfen“. Die Broschüre wurde von der Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. und der LandesPsychotherapeutenKammer Rheinland-Pfalz herausgegeben und vom Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit Rheinland-Pfalz im Rahmen der Initiative Bündnisse gegen Depression Rheinland-Pfalz gefördert.

Sie können die Broschüre unter dem Menüpunkt LZG-Shop/Seelische Gesundheit herunterladen oder bestellen.

© Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (LZG)
Text: Hedda Werner (LZG) auf Basis der Broschüre „Elterninfo: Depression“
Redaktion: Birgit Kahl-Rüther, Mail: bkahl@lzg-rlp.de

Weiterführende Links

Unterstützungsangebote

Selbsthilfegruppen können sehr hilfreich sein. Informationen finden Sie z. B. unter https://www.selbsthilfe-rlp.de und www.nakos.de

Angebote für Angehörige finden Sie beim Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker

Verschiedene Beratungsstellen in Rheinland-Pfalz stellt die Website des Landesjugendamtes zusammen.

Bei der Suche nach einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten hilft die Therapeutensuche auf der Homepage der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz

Weitere Angebote vor Ort sind auch den Bündnissen gegen Depression bekannt. Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner finden Sie unter www.rlp-gegen-depression.de

Videotipps

Die unsichtbare Krankheit (Die Sendung mit der Maus, WDR)

Ich hatte einen schwarzen Hund (WHO und Matthew Johnstone)

Buchtipps für Kinder

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder psychisch erkrankter Eltern verweist auf ihrer Homepage auf eine ganze Liste in Frage kommender Literatur.

Beispiele:

Gliemann, C., Kistner, S., Rau A., Rau D., Rau M. & Faichney N. (2018): „Papas Seele hat Schnupfen: So geht es mir.“ ISBN­10: 3942640104

Erdmute von Mosch (2014): „Mamas Monster: Was ist nur mit Mama los?“ ISBN­10: 3867390401

 


 

In diesen Kategorien finden Sie Themen, die Sie auch interessieren könnten:

Zurück