Wie sinnvoll sind Handdesinfektionsmittel?
Freitag,
1. Dezember 2017
Egal ob in der Krankenpflege, in der Arztpraxis oder in anderen Berufen der Gesundheitsbranche: Alle Personen, die in diesem Umfeld arbeiten, lernen, dass Handdesinfektionsmittel die wichtigste Maßnahme zur Vermeidung von Keimübertragungen darstellen. Doch was sich in Arztpraxen, Kliniken und Heimen bewährt, wird seit einiger Zeit auf den Alltag ausgeweitet. Neuerdings hängen Desinfektionsmittel auch in den Toilettenräumen von Restaurants, Raststätten und Büros. In den Handtaschen der Frauen findet sich immer häufiger ein handliches Fläschchen mit einem Desinfektionsmittel. Für zuhause werden die Seifen aus natürlichen Produkten oder die rückfettenden Waschlotionen durch mikrobielle Produkte ersetzt. Die Verkaufszahlen für desinfizierende Produkte sind innerhalb der letzten zwei Jahre um 71,2 Prozent gestiegen, zeigt eine Studie des Marktforschungsunternehmens Nielsen. Doch wie gesund ist das ständige Desinfizieren unserer Hände?
Unsere Haut
Unsere Haut stellt das Grenzorgan des Organismus zur Umwelt dar. Sie schützt das Körperinnere vor Umwelteinflüssen und ermöglicht zudem den Austausch verschiedener Substanzen. Dazu ist nicht nur die mit bloßem Auge sichtbare Haut wichtig, die unter anderem aus Bindegewebe, Talgdrüsen, Blutäderchen besteht, sondern auch die Hautflora. Dies sind die Keime, die auf unserer Haut leben, sie bilden einen natürlichen Bestandteil von gesunder Haut. Insgesamt leben rund 10 Milliarden Bakterien auf unserer Hautoberfläche, das sind mehr Lebewesen als Menschen auf der Erde.
Will ein fremder Erreger sich auf unserer Haut niederlassen, wird er als Eindringling in einem fremden Revier angesehen und angegriffen. Insofern ist die Hautflora ein guter Schutzmechanismus. Den Desinfektionsmitteln, die 99,9 Prozent der Bakterien töten, fällt somit auch die natürliche Hautflora zum Opfer und die Haut wird anfälliger für das Eindringen von fremden Keimen. Außerdem kann die Haut durch die Desinfektionsmittel leiden, indem sie trocken wird und Risse bekommt – beste Voraussetzungen für die Entstehung eines Ekzems. Auch hier bilden sich Eintrittspforten für Krankheitserreger.
Für gesunde Menschen in der Regel harmlos: Mikroorganismen
Mikroorganismen gehören zum menschlichen Leben und viele sind in der der häuslichen Umgebung für gesunde Menschen meistens harmlos. Wir kommen täglich mit Bakterien, Viren oder Pilzen in Berührung. Sie befinden sich auf Oberflächen, Gegenständen und besonders auf unseren Händen. Infektionen mit solchen Keimen werden vor allem dann ausgelöst, wenn Menschen immungeschwächt sind oder wegen einer Krankheit behandelt werden müssen (zum Beispiel bei Operationen). Es kommt also darauf an, sich und andere dagegen zu schützen.
Krankheitserreger werden entweder über Gegenstände auf die Hände von Menschen übertragen oder direkt von Mensch zu Mensch über die Hände oder die Atemwege, also durch Niesen Husten oder Sprechen. Die wichtigste Regel lautet also: Im Alltag reicht es aus, sich regelmäßig die Hände zu waschen. Im Krankenhaus sollten die Hände immer desinfiziert werden.
Tägliche Händehygiene
Säubern Sie also Ihre Hände regelmäßig mit Wasser und einer hautschonenden Seife oder Lotion. Bei trockenen oder rissigen Händen sollten Sie danach auch eine pflegende Creme benutzen, damit die Haut ihre natürliche Schutzfunktion behält. Waschen Sie Ihre Hände auf jeden Fall mit dem nach Hause kommen und bevor Sie andere Dinge im eigenen Zuhause berühren. Natürlich sollten Sie auch nach jedem Toilettenbesuch und nach der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel die Hände waschen. Achten Sie auf eine gründliche Reinigung, auch der Fingerzwischenräume, und trocknen Sie Ihre Hände anschließend gut ab. Hinterfragen Sie Ihre Gewohnheiten: Fassen Sie sich dauernd ins Gesicht, oder an die Nase, den Mund und die Augen? Das sollten Sie besser unterlassen, denn hier können Krankheitserreger leichter ins Körperinnere gelangen als auf der bloßen Haut. In Bus und Bahn können Sie sich mit Handschuhen vor der Übertragung schützen. Außerdem ist es in Erkältungszeiten sinnvoll, nicht alle Menschen mit einem Händedruck zu begrüßen.
Wann ist das Desinfizieren sinnvoll und wann nicht?
Sinnvoll ist das Desinfizieren grundsätzlich da, wo es viele Krankheitserreger gibt und wo sich geschwächte Menschen aufhalten. Dies gilt vor allem auch im Krankenhaus. Wenn Sie jemanden im Krankenhaus besuchen, desinfizieren Sie beim Eintreten und Verlassen der Krankenstation Ihre Hände. Wenn Sie mehrere Patienten im Krankenhaus besuchen, sollten Sie insbesondere zwischen den Besuchen ihre Hände desinfizieren, um die Übertragung von einem Patienten zum anderen zu vermeiden. Dies ist nicht nur für Ihren eigenen Schutz wichtig, sondern auch um die Patienten zu schützen und Erreger nicht in andere Räume oder nach außen zu tragen.
Während einer Grippewelle oder wenn eine Durchfallerkrankung grassiert, kann eine Handdesinfektion im Allgemeinen auch sinnvoll sein. Dabei sollte jedoch nach Möglichkeit bedacht werden, ob es sich um virale oder bakterielle Erreger handelt und ob das Desinfektionsmittel je nachdem wirkt - gegen Bakterien oder auch gegen Viren.
Richtig desinfizieren
Wenn Sie Ihre Hände desinfizieren, sollten Sie folgendes beachten: Verreiben Sie das Mittel großzügig in den Handinnenflächen, auf der Rückseite und besonders auch an den Fingerzwischenräumen, dem Daumen, den Fingerkuppen und der Nagelfalz. Führen Sie diese Bewegungen 30 Sekunden durch, denn das ist die erforderliche Einwirkzeit.
Nachteile: Resistenzbildung und Risiko von Kontaktallergien
Wichtig zu wissen, ist, dass Bakterien, die mit Desinfektionsmitteln in Berührung kommen, Resistenzen entwickeln können. Damit unterstützt das nicht ordnungsgemäße Handdesinfizieren die allgemeine Tendenz der Resistenzbildung und es ist möglich, dass sich Bakterienstämme bilden, die gegen das Desinfizieren unempfindlich geworden sind. Sie werden zu einer Krankheitsgefahr.
Für empfindliche Menschen und solche, die zu Allergien neigen, gibt es noch einen weiteren Grund, auf das dauernde Desinfizieren zu verzichten. Denn laut Bundesamt für Risikobewertung können die Inhaltsstoffe auch Kontaktallergien auslösen. Grundsätzlich ist das Fernhalten von Bakterien beim gesunden Menschen nicht sinnvoll. Denn wenn wir in einer zu sauberen Umgebung leben, wird das Immunsystem sozusagen arbeitslos und richtet sich gegen harmlose oder sogar gegen körpereigene Stoffe. Somit entstehen Allergien oder Autoimmunreaktionen.
© Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (LZG)
Text: Dr. Beatrice Wagner
Redaktion: Marielle Becker
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